Schwindende Fankultur in England & Lebensgefühl Ultrá in Italien
Am Sonntag wurde der thematische Fokus auf die Situationen im europäischen Ausland gerichtet. Unter anderem referierten Michael Brunskill von der Football Supporters Federation und Kai Tippman (Blogger und Übersetzer des Buches „Tifare Contro“) über die Situation in England und Italien.
Brunskill berichtete über die Versitzplatzung und die Preiserhöhungen (das günstigste Spiel in der Premier League kostet umgerechnet rund 60 Euro) in englischen Stadien, welche die Fanstrukturen in England wesentlich verändert haben. Vor allem jüngere Fans bleiben heutzutage aufgrund der hohen Preise dem Stadion fern und leben Fankultur inzwischen nur noch in den Kneipen aus. Gleichzeitig ist aber auch trotz hoher Kosten die Akzeptanz für Pay TV sehr hoch. Diejenigen, die immerhin ein Spiel (die Betonung liegt bei ein, denn jedes Wochenende setzt sich das Publikum neu zusammen) besuchen können, müssen mit erheblichen Einschränkungen rechnen. Diese fangen bereits beim Konsum von alkoholischen Getränken an. Selbige können zwar im Stadion erworben werden, dürfen aber nicht mit auf die Ränge genommen werden- anderswertig droht eine Festnahme sowie ein Stadionverbot. Brunskill kam daraufhin auf die „Kein Zwanni“ Kampagne in Deutschland zu sprechen, welche in England sehr populär ist. Er lobte das Engagement der hiesigen Fans, betonte aber auch, dass man in England froh sein könne überhaupt für diesen Betrag Fußball sehen zu können. Generell sei es ihm zufolge um den Deutschen Fußball sehr gut bestellt, was er u.a. auch an der 50+1 Regel fest machte (wobei diese erst kürzlich gelockert wurde, siehe Teil 1 dieser Serie). Der Popularitätsgrad der „Kein Zwanni“ Initiative hat sich ihm zufolge positiv auf die englischen Fans ausgewirkt, welche zunehmend bestrebt sind, Einfluss auf ihren Verein auszuüben. Im Zuge dessen stellte Brunskill die Arbeit von Supporters Direct vor. Hierbei handelt es sich um eine Initiative von Fans, welche mehr Teilhabe an ihrem Verein anstreben oder bereits in ihrem Verein eingebunden sind. Anschließend übergab er das Mikrofon an Kai Tippmann, der Einblicke in das Leben italienischer Ultras gab.
Tippmann blickte zunächst zurück in die Entstehungszeit italienischer Ultras Ende der 60er Jahre und betonte, dass die Ultrakultur in Italien einen ganz anderen Background habe als selbige in Deutschland. Im Zuge der 68er Bewegung wurden die Ideale und Ideen der Studentinnen und Studenten in die italienischen Kurven übertragen. Es sollten individuelle Freiräume geschaffen werden, die durch eigene Ausdrucksformen geprägt sind. Es wurden also erste Auswärtsfahren und Choreographien sowie ein koordinierter Support organisiert. Tippmann betonte, dass es hierbei sehr hierarchisch und alles andere als basisdemokratisch herging. Als Ultra hatte man mitzusingen und sich an den verschiedenen Aktionen zu beteiligen, anderswertig hätte man mit Konsequenzen rechnen müssen.
Für Tippmann stellte die Ultrakultur viel mehr als eine Jugendbewegung dar. Dabei bezog er sich vor allem auf regionale Aspekte und betonte, dass es in Italien aufgrund der starken lokalen Rivalitäten (welche nicht ausschließlich auf den Fußball zurückzuführen sind) wahrscheinlich nie zu einem Fankongress gekommen wäre („Die hätten da vermutlich den Hauptbahnhof abgefackelt und dann wäre es das gewesen.”). Weiterhin ging Tippmann auf die sog. „Ehrenkodexe“ unter den Ultras ein. Zwar habe jede Gruppe beständig behauptet, auf Gewalt zu verzichten, sofern sie sich nicht verteidigen müsste. Die Realität sah diesbezüglich jedoch meist anders aus. Die Gewaltspirale sowie der mangelnde Austausch untereinander führte letztlich auch dazu, dass die Ultrakultur – verglichen zu damals – heute praktisch so gut wie tot ist. Auch spielte dabei die mangelnde Nutzung der Medien eine Rolle. Zu oft sei in Italien in der Öffentlichkeit das Bild der Gewalttäter geblieben während positive Aspekte unberücksichtigt blieben. Tippmann appellierte an das deutsche Publikum, neben den gemeinsamen Austausch auch die Medien besser zu nutzen um die positiven Aspekte von Ultrá nach außen zu tragen, anderswertig sei die Ultrabewegung auch in Deutschland nicht zu retten (Böller)
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